Rückblick: Nordic Leipzig Projekt des Goethe-Instituts

Das Austauschprojekt NORDIC LEIPZIG des Goethe-Instituts startete im November 2018 und brachte seitdem 13 KünstlerInnen als Gäste in die Leipziger Baumwollspinnerei

NORDIC LEIPZIG ist ein Projekt des Goethe-Instituts Dänemark, zusammen mit den Goethe-Insituten der Nordischen Länder, in Kooperation mit LIA – Leipzig International Art programme und Vlado & Maria Ondrej – Atelier für zeitgenössische Radierung.

2018/2019 organisierte das Goethe-Institut Dänemark, in Kooperation mit dem LIA Leipzig International Art Programme, ein umfangreiches Stipendienprogramm für Künstler aus den nordeuropäischen Ländern Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Das Stipendium umfasst jeweils einen dreimonatigen Aufenthalt im LIA und eine einmalige Zahlung von 500 € für Reisekosten und Material sowie die Teilnahme an einer Gruppenausstellung während einer der Rundgänge der SpinnereiGallerien Leipzig. Zusätzlich erhielten alle Stipendiaten die Möglichkeit, in der Radierungswerkstatt von Vlado und Maria Ondrej eine Druckgrafik anzufertigen. Alle dort im Rahmen von Nordic Leipzig entstandenen Radierungen werden zu einer gemeinsamen Print-Edition zusammengefasst und ab 2020 als Wanderausstellung in den nordeuropäischen Ländern präsentiert.

Video Dokumentation zu Nordic Leipzig – Zum Anschauen Klicken >>>

Folgende elf Künstlerinnen und Künstler erhielten das Nordic Leipzig Stipendium, inklusive einer gesonderten Projektförderung:

Runde 1: November 2018 – Januar 2019

Maja Gade Christensen (Dänemark)
Vibeke Frost Andersen (Norwegen)
Tanja Koljonen (Finnland)

Runde 2: Februar – April 2019

Tuukka Haapakorpi (Finnland)
Conny Karlsson Lundgren (Schweden)

Bjargey Ólafsdóttir (Island)

Projektförderung: Mai  – Juni 2019

Michelle Eistrup (Denmark)

Runde 3: August – Oktober 2019

Martin Stråhle (Norway)
Gunnhildur Hauksdóttir (Iceland)
Elisabeth Moritz (Sweden) / Anna Taina Nielsen (Denmark)

 

Runde 1: November 2018 – Januar 2019

Vibeke Frost Andersen (Norway)

In ihrer künstlerischen Praxis beschäftigt sich die Norwegerin Vibeke Frost Andersen mit dem Thema Landschaft. Wie wird die Landschaft (re)produziert und (re)präsentiert und was kann dabei herausgefunden werden? Als Material und Informationsquellen für ihre Untersuchungen nutzt sie statistisches Datenmaterial, offizielle Dokumente sowie Feldforschung. Der Prozess und das Ergebnis können variieren – Interventionen im Freien, linsenbasierte Darstellungen, Text und Gespräche – dienen ihr als Versuche, sich mit der Öffentlichkeit über die Ergebnisse und Untersuchungen auszutauschen.

Maja Gade Christensen (Denmark)

Die dänische Künstlerin Maja Gade Christensen arbeitet mit dem Abbilden von Landschaft, beispielsweise indem sie Sedimentproben eines bestimmten Ortes sammelt. Sie verwendet diese Sedimente als Material für Objekte, Gemälde und Drucke. Wasser ist dabei ein wichtiger Faktor, der bei Erosionen, Neuformungen von Landschaften oder der Bewegung von Materie einwirkt und von der Künstlerin bewusst einbezogen wird. Muster und Strukturen von Boden, Wasser und deren Spuren, die zurückbleiben, werden fixiert und sichtbar gemacht. In Leipzig erkundete sie die Flussläufe von Elster, Pleiße, Luppe und Parthe und nutzte die dort gesammelten Sedimentproben für ihr künstlerisches Projekt.

Tanja Koljonen (Finland)

Tanja Koljonens Arbeit beschäftigt sich größtenteils mit dem Zwischenraum von Lesbarem und Sichtbarem; einem Ort, an dem die Grenzen von Text und Bild im ständigen Fluss sind. Ihre Arbeit fragt oft: worauf kann etwas basieren, wenn Geschichten gebrochen werden? Wie uneindeutig und fließend lesen, sehen und hören wir? Gesten des Verdeckens, Löschens oder Umstellens wirken sich unterminierend auf eine buchstäbliche Interpretation und die lineare Lesbarkeit aus. Wenn Bilder und Wörter zerfallen, reichen ihre Fragmente noch für eine Idee?

Runde 2: Februar 2019 – April 2019

Tuuka Haapakorpi

Der finnische interdisziplinäre Künstler Tuukka Haapakorpi, arbeitet in den Bereichen Bildende Kunst, Klang, Musik und Game Design. Während seines Aufenthalts in Leipzig entwickelte Tuukka ein komplexes Buchprojekt, das sich am Prinzip textbasierter Rollenspiele orientiert und grundsätzlich die Frage aufwirft, wie Realität und menschliche Identität alternativ gedacht oder gestaltet werden können. Das visionäre Potenzial der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche wird thematisiert und in Frage gestellt. In seinem Projekt verbindet Tuukka wissenschaftliche Forschung, Zeichnung und Druckgrafik, letztere in Zusammenarbeit mit dem Atelier für Radierung Leipzig.

Conny Karlsson Lundgren

Conny Karlsson Lundgren, bildender Künstler, lebt und arbeitet in Stockholm, Schweden, ist fasziniert von den kurzlebigen, scheinbar temporären Spuren und Momenten menschlicher Existenz, die zusammen einen größeren Kontext bilden. Während des Aufenthalts in Leipzig arbeitete er an einem neuen Kapitel seines Langzeitprojekts “The Johanna Series”, in welchem er sich mit der in Leipzig geborenen und in New York City verstorbenen avantgardistischen Komponistin Johanna M. Beyer (1888–1944) und ihrer unrealisierten, visionären politischen Oper “Status Quo” von 1938 auseinandersetzte.  In enger Zusammenarbeit mit dem Dirigenten und Pianisten Christian Hornef und mit Unterstützung der Oper Leipzig schuf er eine Interpretation des Schlusssatzes von Beyers Oper “Status Quo: Dance (für ein komplettes Orchester)”, die er in Form eines Films und verschiedener Objekte installativ zusammenfügte.

Bjargey Olafsdottir

Bjargey Olafsdottir lebt und arbeitet in Reykjavík, Island. Die Kunst von Bjargey Ólafsdóttir ist nicht auf ein einziges Medium beschränkt, da jedes ihrer Konzepte ein anderes Werkzeug erfordert: Fotografie, Film, Klangkunst, Performance und Zeichnung. Inspiriert von Popkultur und Erinnerung ist ihr Kunstwerk poetisch, aber humorvoll und verspielt und beschäftigt sich mit menschlichen Beziehungen. Spiel, Experimentieren und Zufall innerhalb einer Reihe von Regeln, die von Neugier befeuert werden, ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Praxis. Die Arbeiten von Bjargey Ólafsdóttir spielen mit unseren Vorurteilen über das, was wir sehen, über die Medien Film und Fotografie und fragen, was wirklich ist und was Fiktion ist oder erzählen mit schwarzem Humor vom Animalischen im Menschen.

Projektförderung: Mai – Juni 2019

Michelle Eistrup

Michelle Eistrup ist bildende Künstlerin, Kunstproduzentin und Initiatorin künstlerischer Zusammenarbeit und lebt in Kopenhagen, Dänemark. Sie bearbeitet Themen wie Identität, Körperlichkeit, Glaube, Erinnerung und Postkolonialismus, wobei ihr transnationaler Hintergrund (dänisch, jamaikanisch, amerikanisch) manchmal Ausgangspunkt ist. Derzeit arbeitet Eistrup an einem Film, Natango Zuzu (All Suns Forever). Dieses Stück vereint Artefakte der afrikanischen Kultur und Spiritualität mit Geschichten und Menschen im Süden der Vereinigten Staaten und mit dem Königreich Kongo/Angola. Die Verbindung dieser Objekte versucht, unterschiedliche Umgebungen zu vereinen und dabei verborgene Bedeutungen latenter sichtbar zu machen. Während ihres Aufenthalts in Leipzig konnte Michelle einige der sogenannten Nkisis, Artefakte aus dem Kongo, die zur Sammlung des GRASSI-Museums für Ethnologie in Leipzig gehören, für ihr Filmprojekt Natango Zuzu dokumentieren. Michelle präsentierte ihre Arbeit in zwei öffentliche Vorträgen: während der LIA Spring Group Show sowie im LURU-Kino in der Spinnerei, zusammen mit der Direktorin des GRASSI-Museums, Léontine Meijer-van Mensch.

Runde 3: August 2019 – Oktober 2019

Elisabeth Moritz

Die gebürtige Schwedin Elisabeth Moritz arbeitete im Mai und August 2019 in Leipzig. Sie entwickelte eines ihrer Langzeitprojekte weiter, in dem sie sich mit dem Hintergrund ihrer deutschstämmigen Familie auseinander setzt. Das Projekt befasst sich vor allem mit der Zeit in Deutschland vor und während des Zweiten Weltkriegs und mit den bestehenden Parallelen zur wachsenden Fremdenfeindlichkeit und dem Nationalismus im heutigen Europa. Ausgehend von persönlichen Familienfotos wirft Elisabeth Moritz einen Blick auf die Menschen, die nicht klar als Täter oder Opfer identifiziert werden können, sondern die versucht haben, in dem sie umgebenden System zu überleben.  In ihrer Zeit in Leipzig entwickelte Elisabeth zwei Radierungen, in Kombination mit Zeichnungen, genannt “Mutterland” und “Vaterland”, als Reflexion auf ihre eigene Familiengeschichte  und als ambivalente Selbstverortung.

Gunnhildur Hauksdottir

Gunnhildur Hauksdóttir ist eine isländische bildende Künstlerin, die in Reykjavik und Berlin lebt und arbeitet.
In ihrer Arbeit kombiniert siedi Audio, Video, Performance, Skulptur, Zeichnung und Text, um transiente konzeptuelle Konstruktionen zu erstellen, die Themen wie kulturelle Identität, Natur oder Mut und Angst untersuchen. Ihre künstlerische Arbeit ist oft angetireben von Sorgen über die Zerstörung der natürlichen Welt, des Lebensraums und das rasche Aussterben nichtmenschlicher Arten und Erdenwesen. In Leipzig setzte sie ihr andauerndes Forschungsprojekt “Borderline Human” fort, welches sie in Zusammenarbeit mit dem us-amerikanischen Lichen Lab und dem Barrett-Henzi Lab in Kanada entwickelt. Gunnhildur untersucht und animiert hierbei über multimediale, teils interaktive Kanäle die Grenze zwischen Menschen und Nicht-Menschen, insbesondere Affen.

Martin Stråhle

In seiner Arbeit liegt Martin Stråhles Hauptaugenmerk darauf, sich der Malerei auf immer wieder neue Art und Weise zu nähern, einen neuen Blickwinkel für seine Bildentwicklungen zu finden. Dies geschieht entweder durch Verwendung unterschiedlicher Materialien oder durch Veränderung des Prozesses bei der Arbeit an einem zweidimensionalen Bild, um die Beziehung zwischen Malerei und anderen Medien wie Textil, Skulptur und Performance zu untersuchen. Ihm geht es darum, seine eigenen Gedanken herausfordern, was Malerei sein kann und wie weit er sich entfernen kann und gleichzeitig am Prinzip der Schaffung eines zweidimensionalen Bildes festzuhalten. In Leipzig konzentrierte sich Martin Stråhle auf das Medium Kohle und schuf zahlreiche großformatige Werke auf Leinwand, in denen er Beobachtung und Erforschung der neuen Umgebung, Traum, Grafik und Ornament vereint.

Anna Taina-Nielsen

Anna Taina-Nielsen aus Kopenhagen, Dänemark, war im September und Oktober im LIA. In ihrer künstlerischen Praxis arbeitet sie vor allem im Bereich der performativen Malerei, indem sie ihre Gesten und Aktivitäten während des Malprozesses durch Fotografie oder Film dokumentiert. Sie ist inspiriert von Routinen und Rhythmen bei der körperlichen Arbeit, weshalb sie diese in ihren Malprozess zum zentralen Thema macht und dabei ihren eigenen Körper als Werkzeug oder Maschine verwendet, um die sich wiederholende Arbeit innerhalb eines strengen Regelwerks auszuführen. In Leipzig experimentierte Anna Taina-Nielsen mit Großformaten, wobei sie den Entstehungsprozess auf unterschiedliche Weise dokumentierte und erkundete, ob ein Gemälde nicht nur als statisches, sondern auch als aktives Gemälde betrachtet werden kann, indem es durch Aufzeigen des Entstehungsprozesses neue Ebenen der Dekodierung eröffnet und dabei das Wesen eines Gemäldes an sich neu beleuchtet.

Rückblick auf das NORDIC LEIPZIG Jahr 2019

Neben der individuellen Arbeit in den Wohnateliers gab es verschiedene Aktivitäten, an denen die LIA KünstlerInnen teilnehmen konnten. Ob Ausflüge in der Stadt Leipzig, Besuch verschiedener Kunst- und Kultureinrichtungen, Treffen mit anderen Künstlern, Fahrten zu interessanten Orten in der Region oder die monatlichen Besuche von einem Gastkritiker in den Ateliers – das LIA Programm soll den KünstlerInnen die Möglichkeit für Einblicke, Austausch mit und Inspiration durch Leipzigs Kultur bieten. Ein Schwerpunkt lag 2019 auf der Drucktradition in Leipzig, die bis heute auch in der bildenden Kunst noch sehr lebendig ist. Ein wichtiger Programmpunkt der Künstlerresidenz sind die Gruppenausstellungen in den LIA Räumen, die während der Rundgänge der SpinnereiGalerien viele hunderte Besucher anziehen und eine besondere Gelegenheit sind für die Präsentation der entstandenen Werke und Gespräche mit einem kunstinteressierten Publikum.

Ein ganz besonderes Highlight war 2019 der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender in der Spinnerei Leipzig und im LIA . Zusammen mit dem Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, dessen Frau und Kind, sowie dem Geschäftsführer der Spinnerei Leipzig, Bertram Schultze und den beiden Spinnereikünstlern Christiane Baumgartner und Michael Triegel, besuchte der Bundespräsident die Ateliers der LIA Künstler und lud zu einem gemeinsamen Gespräch über die Erfahrungen der internationalen Gäste in Leipzig und Deutschland.

Wir bedanken uns recht herzlich bei allen Künstlerinnen und Künstlern des Nordic Leipzig Austauschs für die spannende und bereichernde Zusammenarbeit sowie bei allen UnterstützerInnen des Projekts, insbesondere bei Bettina Senff, Leiterin des Goethe-Instituts Dänemark für ihre Initiative und Begleitung.  Desweiteren danken wir Martin Bach (Goethe-Institut Norwegen), Isabel Hölzl (Goethe-Institut Finnland), Jeannette Treffzer und Miriam Arndts (Goethe-Institut Dänemark) und Arpad Sölter (Goethe-Institut Schweden). Maria Ondrej  vom Atelier für zeitgenössische Radierung Leipzig gilt unser besonderer Dank für ihre wunderbare Betreuung der KünstlerInnen und ihrer Radierungsprojekte.

Das “Nordic-Leipzig” Stipendium wird gefördert durch: